Unternehmensgeschichte der
Karthäuser Brauerei Gebr. Balchem
Die Brauerei an der Severinsstraße 15 wurde von 1670 bis 1676 von Heinrich Deutz erbaut, einem Kölner Braumeister und Ratsmitglied. Das Haus war kein Neubau, vielmehr baute Heinrich Deutz den bestehenden Zweckbau einer Schmiede aufwendig im barocken Stil um (z.B. hatte es die markanten Giebel oder den Eingang mit Erker und Säulen vorher nicht gegeben). Heinrich Deutz führte das Brauhaus unter dem Namen „Zum goldenen Bär“.
In der Folgezeit wechselten die Besitzer häufig. Ab 1838 ist die Dokumentation wieder vollständig. Christian Decker erwarb das Gebäude von Magnus Baedorff und führte es bis 1855 als „Brauerei Mathias Decker“. Anschließend wurde es noch 4 Jahre von seinem Sohn als „Brauerei Caspar Mathias Decker“ geführt, bis es von Johann Balchem erworben wurde. Dieser errichtete im Hinterhof ein modernes Brauhaus und führte die Brauerei als „Brauerei Joh. Balchem“.
Im Jahr 1884 kam die nächste Generation an Ruder, die Brüder
Peter und Johann Balchem übernahmen die Brauerei, die gleichzeitig in „Karthäuser-Brauerei Gebr. Balchem“
umfirmiert wurde. 1890 wurde die alte Brauerei im Hinterhaus abgerissen und durch eine moderne Großbrauerei am Karthäuserwall 18 ersetzt. Da die Brauerei an der Vorderseite an die Severinstraße und an der Rückseite an die an den Karthäuserwall grenzte, wurden 2 Adressen angegeben. Der Name "Karthäuser Brauerei" leitete sich ebenfalls durch die Lage am Karthäuserwall ab.
Nach dem Tod von Peter Balchem im Januar 1914 wurden die Gesellschafter der
als offenen Handelsgesellschaft firmierenden Brauerei neu besetzt. Als
persönlich haftende Gesellschafter werden genannt [8]: "Ehefrau Rechtsanwalt
und Notar Joseph Tönnies, Wilhelmine geb. Balchem, in Altenessen", "Ehefrau
Bierbrauereibesitzer Christian Sünner, Katharina geb. Balchem in Köln-Kalk",
"Referendar a.D. Hans Balchem in Köln", welcher allein
vertretungsberechtigt war. 1921 wurde die Karthäuser Brauerei geschlossen, die Gründe hierfür sind nicht bekannt.
In einer Darstellung aus dem Jahr 1921 wird die
Karthäuser-Brauerei wie folgt dargestellt [6]:
Das im Jahre 1675 an der oberen Severinstraße gegründete Brauhaus in dem
mächtigen stolzen Giebelbau heute Karthäuserbräu Gebr. Balchem (Inhaber: Dr.
Hans Balchem, Frau Rechtsanwalt und Notar Tönnies, Köln, und Frau Christ.
Sünner, Kalk) zählte seit jeher zu den angesehensten und beliebtesten
Schankstätten in unserer Vaterstadt. Mit dem Severinstor und der
Severinskirche bildete das dem Heimat- und Denkmalschutz unterstehende
Giebelhaus, das auf dem Hof eine alte aus dem 17. Jahrhundert stammende
eiserne Gußplatte mit den Brauerwappen ausweist, das als Schutzmarke von der
Firma geführt wird, zu den Wahrzeichen der dortigen Gegend. Eine Abbildung
des alten Brauerwappens wird zurzeit am Vordergiebel des Hauses angebracht,
dessen Ausschank im letzten Jahrzehnt von der Familie Balchem an Pächter
(jetzt Wirt Hemgenberg) übertragen wurde. Das Brauhaus wurde in den 50er
Jahren von den Eltern des jetzigen Inhabers übernommen; 1890 wurde die alte
Brauerei niedergelegt und eine neuzeitliche Großbrauerei mit allen
technischen Einrichtungen der Neuzeit erbaut, die unter dem Namen
„Karthäuserbräu“ sich bald einen stattlichen Kundenkreis in der Wirtschaf
Kölns uns seiner Umgebung zu verschaffen wußte.
Im Jahr 1922 fusionierte die ja bereits stillgelegte Brauerei mit der „Carl Schmitz Brauereigesellschaft mbH“ sowie der „Hubertusbrauerei Jacob Immendorf“ zur „Kölner Union-Brauerei GmbH“.
In einer Sonderbeilage des Kölner Tagblattes aus dem Jahr 1929 werden die
Gründe des Zusammenschlusses wie folgt benannt [5]: "Als Folge des Weltkrieges
waren im deutschen Brauereigewerbe durch die veränderte schlechte
Wirtschaftslage Zusammenlegungs-Bestrebungen eine allgemeine Erscheinung.
Somit erfolgte auch der Zusammenschluss der vorgenannten drei
Brauereibetriebe von denen dann zwei aus wirtschaftlichen Gründen
stillgelegt wurden"
Die neu entstandene Brauerei nutzte ausschließlich die Braustätte der ehemaligen Schmitz’schen Brauerei in Müngersdorf. Das Gebäude in der Serverinsstraße 15 (Haus Balchem) wurde als Restauration weiter betrieben.
Formal wurde die Gesellschaft "Gebr. Balchem" erst am 22 November 1935
aufgelöst [8].
Für die Fusion und den ersten Weiterbetrieb der Brauerei in Müngersdorf wurde eigens die „Balchem, Immendorf, Schmitz Kommanditgesellschaft Köln“ gegründet. Federführend in dieser Gesellschaft war von Anfang an Jacob Immendorf, der auch die Mehrheitsbeteiligung erwarb.
Als die Hubertus-Brauerei 1934 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, tritt Jacob Immendorf als Vorstand in Erscheinung und Hans Balchem ist im Aufsichtsrat vertreten. Im Jahr 1938 erfolgte die Umbenennung in „Hubertus-Brauerei“. Einerseits zur Abgrenzung zur Dortmunder Union-Brauerei und andererseits gesteuert durch Jacob Immendorf als Reminiszenz an seine damalige Brauerei gleichen Namens in Zündorf.
Details zur Union- und Hubertus-Brauerei sind in den jeweiligen Beschreibungen aufgeführt.
Firmierungen der Karthäuser Brauerei Gebr. Balchem:
Zeitraum |
Firmierung |
Anmerkung |
1838 – 1844 |
Brauerei Johann Mathias Decker |
Vorgängerbrauereien seit 1675 |
1844 – 1855 |
Brauerei Mathias Decker |
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1855 – 1859 |
Brauerei Caspar Mathias Decker |
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1859 – 1884 |
Brauerei Joh. Balchem |
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1884 – 1921 |
Karthäuser Brauerei Gebr. Balchem |
1922 fusioniert mit der "Brauerei Peter
Immendorf" aus Zündorf und "Carl Schmitz
Brauereigesellschaft mbH" aus Müngersdorf zur "Kölner Union-Brauerei GmbH" |
Übernommene / Vorgänger- / Nachfolger - Brauereien:
In der nachfolgenden Tabelle sind alle Brauereien aufgeführt,
welche Übernommen wurden, Vorgänger- oder Nachfolge-Brauereien waren.
Für manche dieser Brauereien gibt es auf dieser Website eine eigene Brauereihistorie, welche
über den angegebenen Link aufgerufen werden kann.
Brauerei |
von - bis / übernommen von / Anmerkungen |
Brauereihistorie |
Hubertusbrauerei Jacob Immendorf, Zündorf |
1865-1922, 1922 zusammengeschlossen mit
der "Brauerei C. Schmitz Gesellschaft mbH" und der "Karthäuser Brauerei
Gebr. Balchem" zur "Kölner Union Brauerei". |
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Brauerei Carl Schmitz, Müngersdorf |
1868-1922, 1922 zusammengeschlossen mit
der "Hubertusbrauerei Jacob Immendorf" und der "Karthäuser Brauerei
Gebr. Balchem" zur "Kölner Union Brauerei". |
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Kölner Union-Brauerei |
1920-1993, entstand 1922
aus dem Zusammenschluss der "Brauerei C. Schmitz Gesellschaft
mbH", der "Hubertusbrauerei Jacob Immendorf" sowie der "Karthäuser
Brauerei Gebr. Balchem". |
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Historische Bilder
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(W003) [10, 28.04.1878]
Anzeige von Johann Balchem aus dem Jahr 1878. Das vorzügliche Lagerbier
aus dem neu erbauten Eiskeller zu Mansfeld gelangt zum Anstich |
(W002) [10, 31.04.1879]
Anzeige von Johann Balchem aus dem Jahr 1879. Das Lager-Bier aus dem
Eiskeller wurde in Anstich genommen
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(W005) [11, 1889]
Anzeige der Restauration von Johann Hubert Dahmen aus dem Jahr 1889. Im
Ausschank: "Pickfeines" Kölner Lagerbier von Gebr. Balchem |
(W004) [10, 12.02.1893]
Anzeige der Restauration "Zum Taunus" aus dem Jahr 1893. Im Ausschank:
Feines Lagerbier aus der Brauerei Gebr. Balchem
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(BK001) [unbekannt] Briefkopf der "Karthäuser-Brauerei Gebr. Balchem" aus dem Jahr 1898 |
(W001)[6] Werbeanzeige der Karthäuser-Brauerei aus dem Jahr 1921 |
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(F002) [9]
Foto der "Brauerei Gebr. Balchem, vermutlich um 1900 |
(PK001)
Postkarte "Brauerei Gebr. Balchem", gelaufen 1911
(Sammlung Krüger) |
(F005) [12]
Foto des Erkers der Brauerei Balchem aus dem Jahr 1911 | (PK002)
Postkarte "Brauerei Gebr. Balchem", vermutlich um 1910
(unbekannte Sammlung)
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(PK005) [24, Sammlung Ippen]
Postkarte der Brauerei, gelaufen im Jahr 1910 |
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(PK003) [Sammlung Hildner]
Postkarte der Hofseite der Brauerei, vermutlich um 1910 |
(PK004) [24, Sammlung Ippen]
Postkarte der Brauerei, gelaufen im Jahr 1927 |
(F004) [7]
Foto des teilzerstörten "Haus Balchem"
kurz nach dem Krieg |
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(W002)
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Werbung der Brauerei in Greven's Adressbuch aus dem Jahr 1894 |
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Anmerkungen
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Ende der 1960er Jahre bis 1975 wurde im Haus Balchem eine
Gastwirtschaft betrieben, in der „Balchem Kölsch“ ausgeschenkt wurde.
Produziert wurde dieses Kölsch von der Hubertus-Brauerei, die auf das
Haus Balchem als einen der 3 Stammhäuser der Hubertus-Brauerei verweist.
Mehr Informationen zu Balchem-Kölsch gibt im Bereich „Kölschmarken“ auf
www.koelsch-net.de |
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Das Haus Balchem gehört mit der Severinstorburg und der
Pfarrkirche St. Severin zu den Wahrzeichen des „Vrings-Veedels“. Es ist
eines der wenigen in Köln überhaupt erhaltenen Bürgerhäuser. Es wurde im
zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern völlig zerstört und im
Zeitraum von 1954 bis 1964 aufwendig restauriert |
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Die Kellerräume der ehemaligen Brauerei am Kartäuserwall 18
sind noch größtenteils vorhanden. Das Grundstück / Gebäude selbst ist
ein Zankapfel zwischen der Stadt, dem Besitzer (der
Landesentwicklungsgesellschaft LEG), mittlerweile verkauft an einen
Fonds von Goldman Sachs), den Mietern (Wohnprojekt Kat18, Kunsthaus
Kat18, Mieter, Ateliers, Cafe, …) sowie Hausbesetzern und linken
Aktivisten |
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Die Brauerei firmierte seit 1884 als "Gebr. Balchem" und
ist auch so in Adressbüchern und Brauereiverzeichnissen vertreten.
Offiziell in Handelregister wurde die Handelsgesellschaft "Gebr. Balchem"
allerdings erst am 14. Januar 1887, rückwirkend zum 01. Januar 1887.
Gesellschafter waren "... die in Köln wohnenden Bierbrauereibesitzer und
Kaufleute Peter Balchem und Johan Balchem ..." [8] |
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Ab Januar 1914 wird Katharina Sünner als eine der
Gesellschafter der als offenen Handelsgesellschaft firmierenden Brauerei
benannt. Sie war eine geborene Balchem und mit Christian Sünner (aus der
Brauereidynastie der Familie Sünner in Köln-Kalk) verheiratet. Diese
Beziehung, gemeint ist die Verflechtung mehrerer Brauereien durch
Heirat, war in Köln durchaus üblich [8] |
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Es gibt mittlerweile auch eine kleine Brauerei mit dem
Namen Kat18 (angelehnt an die Adresse „Kartäuserwall 18, im Internet
unter: www.kat18-brauerei.de). Gegründet von Steffen Zingler wurde
versucht, die Brauerei in den traditionsreichen Kellerräumen am
Kartäuserwall 18 aufzubauen, was aber auf Grund der aktuellen
Besitzverhältnisse nicht möglich war. Die Kleinstbrauerei hat jetzt
alternativ in Hürth eine Heimat gefunden |
Krüge
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(KZ001)
"Karthäuser Bräu"
Eichung unklar, vermutlich 1 L
(unbekannte Sammlung) |
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Prägeflaschen
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Bisher sind keine Flaschen, sondern nur
ein passender Porzellankopf bekannt |
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(unbekannte Sammlung) |
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Informationen aus Brauereiverzeichnissen
1898 |
Balchem, Gebr., Karthäuser-Brauerei, Severinstr. 15 |
1910 |
Balchem, Gebr., Karthäuser-Brauerei, Severinstr. 15
Inh.: Johann u. Peter Balchem (s. 1884). Ggr.: 1861. Umgeb.: 1891. Brm.:
Alois Pregler. F.: 1628. - Dampfb. - Dampfk. - 2 Eismasch, Syst. Linde.
- Elektr. Bel. - Zeugl. |
Quellen
1 |
Historisches Verzeichnis alter Biergläser/Krüge aus dem Köln/Bonner Raum, Hrsg.: Wolfgang Wukasch |
2 |
Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I: Deutschland, 1898, Verlag von Eisenschmidt & Schulze, Leipzig |
3 |
Grevens Adressbuch für Köln, Ausgabe 1894 |
4 |
Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I: Deutschland, 8. Jahrgang, 1910, Verlag von Eisenschmidt & Schulze GmbH, Leipzig |
5 |
„Trinkt Kölner Bier - Quer durch Kölner Brauhäuser“,
Sonderbeilage des Kölner Tageblattes von Sonntag den 15. Dezember 1929 |
6 |
"Kölner Kneipen im Wandel der Zeit (1846 bis
1921), Lambert Macherey, 1921, Selbstverlag |
7 |
Website des Kölner Brauerei Verband
(www.koelner-brauerei-verband.de), abgerufen am 14.11.2020 |
8 |
"Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich
Preußischer Staats-Anzeiger", Berlin, Ausgaben: 26.01.1887,
28.01.1914, 28.11.1935 |
9 |
"Köbes noch e Kölsch", Franz Mathar, Greven Verlag köln, 1996 |
10 |
Kölner Sonntags-Anzeiger, Ausgaben 28.04.1878, 13.04.1879 |
11 |
Cönen´s Geschäfts-Adressbuch von Köln a. Rh. und Vororte incl. Mülheim a. Rh. und Kalk / 1889/90 |
12 |
Dr. Erwiin Quedenfeldt, Düsseldorf, Reihe: Einelbilder vom Niederrhein, No. 518, Cöln: Brauerei Balchem Severinstr. 15 |
24 |
Sammlung Kölner Postkarten von Detlef Ippen, www.post.koeln |