Unternehmensgeschichte der Bierbrauerei Anton Balsam / Balsam Brauerei AG, Mülheim

 
Die erste Erwähnung einer Brauerei in der Bachstraße 13 in Mülheim geht auf das Jahr 1863 zurück. Von 1863-1865 wurde dort die „Brauerei Wwe. Franz Lülsdorf“ betrieben. Weiter ging es von 1865-1867 mit der „Brauerei Johann Mathias Simons“ und nach dem Tod des Inhabers noch 2 Jahre (1867-1869) unter der Firmierung „Brauerei Wwe. Johann Mathias Simons“.
Im Jahr 1869 übernahm dann Michael Greven die Brauerei, diese firmierte fortan als „Brauerei Michael Greven“.
Im Jahr 1870 heiratete Michael Greven Wilhelmine Roleff aus Bergheim-Thorr, die aus einer bekannten Brauereifamilie stammte. Wilhelmine Roleff war die Tochter von Johann Roleff, der in Bergheim-Thorr eine Brauerei betrieb, aus der später die Römer-Brauerei entstand. Diese Brauerei existierte bis 1988 und war für ihr Römer-Kölsch bekannt.
Im Jahr 1880 starb Michael Greven und die Brauerei wurde von seiner Witwe als „Brauerei Wwe. Michael Greven“ weitergeführt. Michael Greven hinterließ 3 Kinder, Heinrich, Johannes und Margarethe. Margarethe heiratete später Ferdinand Buschhausen und übernahm seinen Namen. Dies ist insofern relevant, als das sich hieraus die Besitzverhältnisse der Brauerei besser zuordnen lassen, da Ferdinand Buchhausen später in der Direktion der Brauerei auftaucht.
Im Jahr 1882 heiratete die Witwe Greven dann ihren Braumeister Adam Balsam. Zur Familie Balsam gab es bereits enge Beziehungen, die Mutter von Michael Greven war ebenfalls eine geborene Balsam.
Die Brauerei florierte und die Räumlichkeiten der kleinen Hausbrauerei in der Bachstraße wurden bald zu klein. Im Jahr 1890 zog die Brauerei aus diesem Grund in neue Räumlichkeiten in der Bergisch Gladbacher Straße 122-134 um. Der Umzug ging einher mit einer Umfirmierung in eine offene Handelsgesellschaft und der Name Balsam kam ins Spiel. Die Brauerei firmierte fortan als „Brauerei Adam Balsam OHG“.
Um 1900 wurde eine breite Palette an Bieren produziert, darunter Mühlheimer Export, Balsam-Märzen (helles Tafelbier), Balsam Verband (Malzbier) und Balsamator Urbock. Angeblich auch schon ein Echt Kölsch, dies lässt sich aber bisher nicht belegen.
Wilhelmine und Adam Balsam hatten 2 weitere Kinder, Cäcilia Balsam (später verheiratette Stettner) und Friedrich Balsam. Im Jahr 1905 verstarb Anton Balsam .
Am 2. März 1909 wurde die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umfirmiert, die Balsam Brauerei AG, und eine für die Zeit hochmoderne Brauerei erbaut. Das Aktienkapital betrug 800.000 Mark und die Brauerei war weiterhin fest in Hand der Familie (Direktion: Ferd. Buschhausen, Heinr. Greven. Aufsichtsrat: vors. Dr. Joh. Greven, Stellv. Cand. jur. Fritz Balsam, Witwe Adam Balsam). Im Geschäftsbericht 1909/10 weist die Brauerei einen Gewinn von 32.010 Mark aus und es wurde eine Dividende von 3,5% ausgeschüttet (wobei sich mindestens 796 der 800 Aktien in Familienbesitz befanden). Die jährliche Produktion lag bei ca. 30.000 hl, eine stolze Zahl in der damaligen Zeit.
Mit dem ersten Weltkrieg einher kamen Rohstoffknappheit und sinkender Bierkonsum. Vermutlich um die Markposition zu stärken wurde im Jahr die in Höhenhaus beheimatete „Bergische Löwenbrauerei AG“ übernommen. Es war eine „Übernahme durch Fusion“. In einen Brauereiverzeichnis für Aktiengesellschaften aus dem Jahr 1934 wird dieser Vorgang für die „Bergische Löwenbrauerei, Act.-Ges. in Liqudation“ wie folgt dargestellt: „…Die G.-V. vom 5./2.1920 beschloß die Liquidation der Gesellschaft. Liquidator: Dr. Joh. Greven, Köln-Mülheim, Rhodiusstraße 14. Der Vorstand wurde ermächtigt, das Angebot der offenen Handelsges. A. Balsam, Köln-Mülheim, auf käufliche Ueberlassung des Braurechts und Malzkontingents. Fässer und Bottiche, Mobilien, Utensilien, Fuhrpark, Bierwirtschaftsinventar, Kundschaftshyp., Bierforderungen, Darlehen und Bestände sowie Betriebsergebnis ab 1/1. 1920 abzuschließen. … Kapital: 180 000 RM in 600 Akt. zu 300 RM. …“
Allerdings, bei einer Übernahme durch Fusion unüblich, wurden beide Braustätten in Mülheim und in Höhenhaus weiterbetrieben. Sogar der Name der Bergischen Löwenbrauerei floss mit ein, die Balsam-Brauerei firmierte fortan als „Balsam-Bergische Löwenbrauerei“. Und auch das gut etablierte Hauptprodukt der Bergischen Löwenbrauerei, das Höhenhaus Pils, wurde weiter vertrieben. Mit der Übernahme wurde auch die AG aufgelöst und in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt.
Detaillierte Informationen über die Balsam-Bergische Löwenbrauerei finden Sie hier:

Firmierungen der Brauerei:
Zeitraum Firmierung Anmerkung
1863 – 1865 Brauerei Wwe. Franz Lülsdorf  
1865 – 1867 Brauerei Joh. Mathias Simons  
1867 – 1869 Brauerei Wwe. Joh. Mathias Simons  
1869 – 1880 Brauerei Michael Greven  
1880 – 1890 Brauerei Wwe. Michael Greven  
1890 – 1909 Adam Balsam OHG  
1909 – 1919 Balsam Brauerei AG Fusioniert mit der "Bergischen Löwenbrauerei" zur "Balsam-Bergischen Löwenbrauerei"
 
 
Grafische Darstellung der Firmierungen und Übernahmen:
   

Übernommene / Vorgänger- / Nachfolger - Brauereien:
In der nachfolgenden Tabelle sind alle Brauereien aufgeführt, welche Übernommen wurden, Vorgänger- oder Nachfolge-Brauereien waren. Für manche dieser Brauereien gibt es auf dieser Website eine eigene Brauereihistorie, welche über den angegebenen Link aufgerufen werden kann.
Brauerei von - bis / übernommen von / Anmerkungen Brauereihistorie
Bergische Löwenbrauerei, Höhenhaus 1890-1919, 1919 Übernahme durch Fusion durch die Balsam Brauerei, die ab diesen Zeitpunkt als Balsam-Bergische Löwenbrauerei firmierte.
Balsam Bergische - Löwenbrauerei Diese Brauerei entstand 1919 durch die Übernahme der Bergischen Löwenbrauerei durch die Balsam Brauerei.
Brauerei Weiden ("Im Hirsch") Die Brauerei "Im Hirsch" von Gottfried Weiden wurde von der Balsam-Brauerei im Jahr 1917 auf einer Zwangsversteigerung erworben. Hintergrund war nicht der Weiterbetrieb dieser Brauerei, sondern die Übernahme der Braurechte und des Malzkontingentes.
 

Historische Bilder
(W003) [9, 03.06.1888]
Werbung der Bierbrauerei Balsam zum Anlass der Kirmes im Jahr 1888
(W004) [9, 28.06.1891]
Neu-Eröffnung des Gasthauses "Zur goldenen Ecke" aus dem Jahr 1891. Im Ausschank: hochfeines Balsaminer Lagerbier aus Mülheim
(WK031) [10, 28.06.1894]
Post von der Oberpostdirektion. Den Mülheimer Brauereien Anton Balsam und Jonas Kreuzer wird die Telefon-Verbindung nach Köln genommen, da sie anscheinen auch Gäste telefonieren ließen. Unklar, was daran so schlimm war, weiß wohl nur die Oberpostdirektion
 
(W002) [8, 1914-06-02]
Anzeige der Balsam-Brauerei AG aus dem Jahr 1914
 
(W001) [3]
Werbung der Balsam-Brauerei Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1918
 
(BK001) [unbekannt]
Briefkopf der "Bierbrauerei & Eisfabrik A. Balsam" aus dem Jahr 1902
 
(F001) [unbekannt]
Foto des Brauereigebäudes in der Bachstraße um 1914, entnommen vermutlich einer Postkarte mit gleichem Motiv. Zu diesem Zeitpunkt war die Brauerei schon in die Bergisch Gladbacher Straße umgezogen und in diesem Gebäude wurde nur noch eine Restauration betrieben. Diese nannte sich "Balsam-Bräu", Inhaber war Martin Steinkrüger. Zu lesen ist noch: "Bierbrauerei A. Balsam vorm. M. Greven"
                     
   
 
(E001) [unbekannt]
Erneuerungsschein einer Aktie der Balsam-Brauerei AG aus dem Jahr 1918
 
(F002) [unbekannt]
Foto des Brauereigebäudes in der Bachstraße bei Hochwasser aus dem Jahr 1920
 
 

Anmerkungen
» Die Brauerei an der Bergisch-Gladbacher Straße existierte bis ins Jahr 2021. Da die notwendigen Modernisierungen zu teuer schienen, verwertete das "Haus Kölscher Brautradition" lieber die Grundstücke und lässt das Bier, Gilden Kölsch, Sion Kölsch usw., als Lohnsud bei der Brauerei Früh brauen.
» Von der Brauerei sind keine Gläser oder Tonkrüge bekannt.
 

Krüge
(KZ001)
Balsambrauerei Mülheim Rhein
7/20  L geeicht
(KZ002)
Balsam Bräu-Märzen Mülheim A/RH
0,4 L geeicht
 

Etiketten
 
(E001)
"Balsambräu-Märzen"
(Sammlung Mittenzwey)
                                                                                                                                                                
 

Flaschen
   
(178) (236) (180)    
ca. 0,8l
"Bierbrauerei A. Balsam"
 
ca. 0,8l
"Balsam Brauerei AG, Mülheim a/Rhein"
ca. 0,35l
"Balsam Brauerei AG, Köln-Mülheim"
 
   
 

Informationen aus Brauereiverzeichnissen
1898 Balsam, Ad., Bachstr. 16
1910 Balsam-Brauerei, Akt.-Ges., Mülheim a/Rhein., Gladbacherstr. 124
Direktoren: Ferd. Buschhausen u. Heinr. Greven.
Gründung: 1909, Actien-Kapital: 800 000 Mark. F.: 66
1911 Balsam-Brauerei, Akt.-Ges. in Mülheim a. Rhein.
Gegründet: 2./3. 1909; eingetragen 23./3. 1909. Gründer: Firma A. Balsam, Mülheim Rhein; Witwe Adam Balsam, Wilhelmine geb. Roleff, Cöln; Heinrich Greven, Dr. Joh. Greven, Mülheim, Rhein; cand. jur. Fritz Balsam, Cöln. Die offene Handels-Gesellschaft A. Balsam in Mülheim, Rhein, macht das A.-K. folgende Einlagen: a) an Immobil. das Brauereigrundstück Mülheim, Gladbacherstr., nebst aufstehenden Gebäudlichkeiten zum Preise von M. 730 000 u. das Grundstück Mülheim an der Freiheitsstr. inkl. den Gebäuden Rheinberg zum Preise von M. 225 000, b) Masch. M. 120 000, c) Fastagen M. 100 000, d) Fuhrpark M. 25 000, e) Utensil. M. 25 000, f) Warenvorräte M. 113 557, g) Forder. von M. 267 078, h) Kasse u. Wechsel M. 12 864. Der Gesamtwert der vorstehend unter a-f aufgeführten Vermögensstücke betrug hiernach M. 1 618 500. Von dem Gesamtübernahmewerte von M 13618 500 kamen in Abzug a) die auf dem Brauereigrundstück lastende Hypoth. von M 295 000 u. die auf dem Hause Rheinberg lastende Hypoth. von M 168 500, welche Hypoth. beide von der A.-G. übernommen wurden; b) eine der A.-G. von der Inferentin A. Balsam kreditierte u. als Schuld laut Gründungsakt anerkannte Summe von M. 305 000; c) ferner erhielt die Inferentin 796 Aktien = M. 796 000; d) M. 4000 wurden bar gezahlt. Ein Betrag von M. 50 000, welcher auf die eingebrachten Werte nachgelassen, ist als R.-F. vorgesehen.
Zweck: Übernahme der bisher unter der Firma A. Balsam in Mülheim, Rhein, betriebenen Bierbrauerei. Jährl. Bierabsatz ca. 30 000 hl.
Kapital: M. 800 000 in 899 Aktien à M. 1000, begeben zu pari. Anleihe: M. 600 000 in Oblig. von 1910. Hypotheken; M. 168 500 auf Haus Rheinberg. Gen.-Vers.: Im I. Geschäftshalbj. Stimmrecht: 1 Aktie = 1 St.
Bilanz am 30. Sept. 1909: Aktiva: Gebäude 502 350, Grundstück 220 000, Lagergefässe 760500, Transportgefässe 15 553, Masch. und Geräte 111 262, Fuhrpark 24 875, Mobil. und Utensil. 23 498, Grund- u. Gebäude-Kto Rheinberg (abzügl. 168 500 Hypoth.) 53 125, Warenvorrat 109 340, Kassa und Wechsel 10 089, Debit. inkl. Hypoth. 562 407, -- Passiva: A.-K. 800 000, Oblig. 350 000, Hypoth. 250 000, Kredit. 186 653, Akzepte 40 339, R.-F. 51 600 (Rückl. 1600), Tant an A.-R. 2000, Div. 24 000, Vortrag 4409. Sa. M. 1 709 002.
Gewinn- u. Verlust-konto: Debet: Geschäfts- u. Betriebsunk. 131 924, Abschreib. 47 415, Gewinn 32 010. Sa. M. 211 350. -- Kredit: Brauereierträgnis M. 211 350.
Bilanz am 30. Sept. 1910: Aktiva:Gundstück 220 000, Gebäude 495 398, Grund- u. Gebäude-Kto Rheinberg 218 300 (abzügl. 168 500 Hypoth.) bleibt 49 800, Masch. u. Geräte 101 894, Transportgefässe 12 442, Lagergefässe u. Gärbottiche 68 850, Mobil. u. Utensil. 22 654, Fuhrpark 22 028, Flaschen 1023, Debit. 667 773, Kassa u. Wechsel 16 466, Vorräte 289 580, für gestundete Brausteuer 14 790, Gewinn 49 412. - Kredit: Vortrag 4409, Hausertrag 2214, Brauereierträgnis 223 461. Sa. M. 230 085. Dividenden 1908/09-1909/10: 3,5%. Direktion: Ferd. Buschhausen, Heinr. Greven. Aufsichtsrat: vors. Dr. Joh. Greven, Stellv. Cand. jur. Fritz Balsam, Witwe Adam Balsam, Cöln.
 
 
 
Quellen
1 Historisches Verzeichnis alter Biergläser/Krüge aus dem Köln/Bonner Raum, Hrsg.: Wolfgang Wukasch
2 Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I: Deutschland, 1898, Verlag von Eisenschmidt & Schulze, Leipzig
3 Adressbuch für Köln, Verlag Greven, Jahrgang 1918
4 Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I: Deutschland, 8. Jahrgang, 1910, Verlag von Eisenschmidt & Schulze GmbH, Leipzig
5 Die Deutschen Brauereien im Besitze von Aktien-Gesellschaften, Verlag für Börsen- und Finanzliteratur A.-G., 1911
6 Die Deutschen Brauereien, Firmenjahrbuch des Deutschen Brauer-Bundes, Verlag für Rechts- und Wirtschaftsliteratur A.-G., Berlin u. Leipzig, 1934
7 "Prosit Colonia: Die vergessenen und unvergessenen Brauereien, Bier- und Brauhäuser Kölns", Autor: Franz Mathar, Greven Verlag, 1999
8 Kölner Lokal-Anzeiger, Ausgabe 02.06.1914
9 Kölner Sonntags-Anzeiger, Ausgabe 03.06.1888, 28.06.1891
10 "Rhein- und Ruhrzeitung", Ausgabe 28.06.1894